Lesetipps für den Sommer: Über Familie, Erinnerung und Verantwortung

Ich grüße dich! 

Der Sommer lädt ein zum Durchatmen, Innehalten – und zum Lesen. Viele von uns beschäftigen sich gerade intensiver mit familiären Themen: mit dem Älterwerden der Eltern, alten Geschichten, neu aufbrechenden Fragen. In der Hängematte, im Bett (!) oder im Schatten eines Baumes lade ich dich ein, in Texte einzutauchen, die berühren, herausfordern und verbinden.

Ich möchte dir ein paar Lektüren ans Herz legen, die mich in den letzten Wochen begleitet, bewegt und inspiriert haben – von berührenden Romanen über persönliche Spurensuchen bis hin zu klugen Essays und Gesprächen.

Pflegebedürftige Eltern: „Wir kommen zurecht!“

Wenn Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges Kinder waren, gebrechlich werden, entzünden sich oft Konflikte mit ihren erwachsenen Kindern. Warum ist die Hilfsbedürftigkeit der Eltern gerade für die Kriegsenkel:innen-Generation oft so explosiv?

Diesen Fragen geht Birgit Schönberger in der aktuellen Ausgabe der Psychologie Heute (8/2025) nach. Sie hat mit verschiedenen Expert:innen gesprochen – auch mit mir. Denn gerade in diesem Kontext ist es wichtig, historisch zu denken: Was haben unsere Eltern in der NS- und Kriegszeit erlebt, wenn sie sich hilflos gezeigt haben? Diese Perspektive kann helfen, mehr Verständnis – und vielleicht sogar mehr Mitgefühl –  für sie zu entwickeln.

Der Artikel ist in der Printausgabe erschienen oder online für Abonnent:innen hier zu finden:
 Psychologie Heute 8/2025

 

 

Alex Schulman: Vergiss mich

Dieses Buch hat mich tief berührt – nicht nur literarisch, sondern auch, weil es so viel von dem widerspiegelt, was mir in Gesprächen mit Kriegsenkel:innen begegnet: Eltern, die süchtiges Trinken als Bewältigungsstrategie ihrer Traumata genutzt haben, und Kinder, die verzweifelt versuchen, ihnen die Hand zu reichen.

Es ist Sommer. Alex Schulman fährt ins Landhaus seiner Mutter, um sie vom Trinken abzuhalten – und sie zu überzeugen, sich in eine Entzugsklinik einweisen zu lassen. In Rückblicken erzählt er von der einst liebevollen Mutter, die mehr und mehr zu einem geisterhaften Wrack wurde, und vom schmerzhaften Versuch, als erwachsenes Kind wieder in Verbindung zu kommen.

Vergiss mich, Alex Schulman, 2021
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Chrismon – Eine Ausgabe über das Älterwerden

Eine nicht mehr ganz aktuelle, aber weiterhin sehr lesenswerte Ausgabe von Chrismon widmet sich ganz dem Thema Alter:
 Zur Ausgabe

Darin unter anderem:
Elke Heidenreich im Gespräch mit Caroline Wahl: „So jung wie du? Bloß nicht!“
– Kluge Hinweise wie: Macht euch nicht so abhängig von den Erwartungen anderer!
– Ein bewegender Bericht über eine Frau, die ihre Karriere für die Pflege der Eltern aufgab
– Ein empfehlenswerter Podcast: Über das Ende – Wir müssen alle einmal sterben – ist das ein Drama?

 

Francesca Melandri: Kalte Füße

Endlich gelesen – und tief beeindruckt: Kalte Füße ist eine zutiefst persönliche Spurensuche der italienischen Autorin Francesca Melandri. Sie fragt: Was bedeutet Krieg? Und was, wenn man auf der falschen Seite kämpft?

Ihr Vater hat den Rückzug italienischer Soldaten aus Russland im Winter 1942/43 überlebt – ein kollektives Trauma, über das lange geschwiegen wurde. Erst mit dem Krieg in der Ukraine beginnt Melandri zu begreifen, wo ihr Vater damals wirklich war – und was er erlebt haben könnte.

Ein unerschrockenes, berührendes Buch über das Schweigen der Nachkriegsgeneration, über Erinnerung als Überlebenskunst und über historische Verantwortung – heute mehr denn je.

Kalte Füße, Francesca Melandri, Wagenbach Verlag
 Zum Buch

 

Newsletter-Tipp: Der siebte Tag von Nils Minkmar

Der vielleicht klügste, eleganteste und gleichzeitig zugänglichste Newsletter zur aktuellen Lage der Nation: Der siebte Tag, geschrieben von Nils Minkmar (SZ, ehemals ZEIT, Spiegel u.a.). Immer sonntags. Pointiert, persönlich, politisch – und sehr lesenswert.

 Hier geht’s zum Newsletter
Wenn er euch gefällt: abonnieren! Ich möchte ihn nicht mehr missen.

 

Klaus Theweleit im Interview: „Diese Männer sind nicht zu Ende geboren“

Bereits im Mai erschien in der ZEIT ein Interview mit Klaus Theweleit, dem Autor des wegweisenden Buches Männerphantasien. Darin analysiert er erneut den Zusammenhang zwischen Männlichkeit, Gewalt und Sprache.

Ein Zitat:

„Wir leben in einer undenkbaren Zeit. Soldatische Körper, leere Sprache, dreiste Lügen: Da entsteht eine neue Wirklichkeit.“

 Zum Interview (Paywall)
Wer kein Abo hat und es lesen möchte, kann sich gerne bei mir melden.

 

Sommerlektüre für Unternehmerfamilien

Meine persönliche Sommerlektüre zum Einstieg:
Zu Ihrer Familie gehört ein Unternehmen? 49 Impulse für Ihren Generationswechsel von Susanne Dahncke und Carola Jungwirth (2025).

Auch in Familienunternehmen wirken über Generationen hinweg tradierte Erzählungen, stille Regeln und ungeschriebene Gesetze. Die Autorinnen geben kluge, praktische Impulse zur Selbstreflexion – psychologisch fundiert und zugleich alltagstauglich.

Zu Ihrer Familie gehört ein Unternehmen?, 2025
 Zum Buch
Meine Rezension trägt den Titel: Erkennen Sie die Macht wiederkehrender Muster.

 

 

Und nun: einen schönen Sommer!

Ich hoffe, du findest in der einen oder anderen Empfehlung etwas, das dich anspricht und dir vielleicht sogar neue Perspektiven eröffnet.

Hab einen inspirierten Sommer – mit Zeit zum Nachdenken, Auftanken, Verbinden und vielleicht dem ein oder anderen guten Gespräch danach.

 

Viele herzliche Grüße und bis bald im Kriegsenkel:innen LiveCall im September! 

Ingrid 

 

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