Ich habe so viel für dich getan und jetzt bist du so undankbar ...

Wieder geht es um das Helfen und darum, sich um andere zu kümmern. Im letzten Newsletter habe ich gefragt, ob alle Kriegsenkel ein Helfer-Syndrom haben? Dabei ist vielen aufgefallen, dass ich erstmals einen Begriff verwende, der das Helfen pathologisiert und dieses Verhalten als 'ungesund' darstellt. Nein!

Anderen zu helfen, ist gut! 

Grundsätzlich ist das Helfen gut und es ist bedenklich, wenn eine Gesellschaft das Helfen denunziert, indem es den "Gutmenschen" erfindet. Die meisten Menschen helfen gern! Dafür ist nicht zuletzt unser evolutionsbiologisches Programm verantwortlich. Denn der Mensch kann nämlich gar nicht ohne den anderen! 

Wann wird das Helfen zum Problem?

Es kann dann zum Problem werden, wenn es die einzige Möglichkeit ist, sich mit anderen Menschen in Verbindung zu setzen. Wenn Helfen die einzige Möglichkeit ist, Beziehungen zu gestalten. Das ist es aber, was die Kriegsenkel von Kindesbeinen an gelernt haben. Darin sind sie meisterhaft. Sie haben gespürt, dass etwas mit ihren Eltern nicht stimmt und erst sehr viel später sollten sie erfahren, dass sich dahinter das Trauma des Nationalsozialismus und des Krieges verbirgt. Helfen war für die Kriegsenkel notwendig - im wahrsten Sinne des Wortes: die Not abwendend. Deswegen haben sie sich zur Aufgabe gemacht, ihre Eltern zu retten. 

Wer darf wem und wie viel helfen und wem auf keinen Fall?

Im letzten LiveCall wurde von den Teilnehmenden eindrücklich geschildert, in welcher Weise das Helfen in den Familien vorkam. Erzählt wurde, wer helfen durfte, wer helfen musste und vor allem - das war für mich das Interessanteste - wer nicht helfen und wem auf gar keinen Fall geholfen werden durfte. 
Im Nachhinein dachte ich, es könnte interessant sein, wenn jede/r für sich mal ein Diagramm darüber anfertigen würde, zu wem in der Familie eine Beziehung über das Helfen entstanden ist und zu wem nicht. Wer wurde darüber ein- oder ausgeschlossen? Und welche Qualität hatten diese Beziehungen? Wie fühlen sich Beziehungen an, in denen einem immer "geholfen" wird, man aber nie die Chance bekommt, dem anderen etwas zurückzugeben?  Und umgekehrt?
Was käme bei deinem Diagramm heraus? Und was würde das über deine Position in der Familie und die Qualität deiner Beziehungen sagen? 

Helfen ist machtvoll!

Wer anderen hilft, kann sich unentbehrlich machen und sehr machtvoll in der Familie oder in seiner Community werden. Wer hilft, kann auch Dankbarkeit erwarten. Wer permanent hilft, ohne zu gucken, ob und was zurückkommt, verschuldet den anderen. Derjenige, der nichts zurückgeben darf, wird bis in alle Ewigkeit verschuldet. Das kennen viele Kriegsenkel und fühlen sich tatsächlich bis heute schuldig und immerzu zu Dank verpflichtet. 

Ich habe so viel für dich getan, meine Karriere an den Nagel gehängt, deinen Vater geheiratet ... Jetzt bist du so undankbar und lässt dich nicht mehr blicken.  

Schuld und Schuldgefühle spielen in den Beziehungen der Kriegsenkel zu ihren Eltern eine sehr große Rolle, Schuldgefühle sind ein gutes Binde-Mittel. 

Gehen Kriegsenkel auch aus dem Grund nur sehr vorsichtig Beziehungen ein, um sich nicht erneut in den Fallstricken einer Helfer-Beziehung zu verheddern? Oder binden sie andere über zu vieles Helfen an sich und häufen beim Gegenüber Schuldgefühle an? Schulden verpflichten zur Rückzahlung, da ist die Bindung sicher. 

Wie gestalten Kriegsenkel ihre gleichberechtigten Beziehungen? Wie gestalten sie ihre Beziehungen als Töchter und Söhne zu ihren Eltern? 

Um diese Fragen geht es im nächsten LiveCall#Kriegsenkel, am 6.11.2019, 19.30 - 20.30 Uhr.

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