Live Call #Kriegsenkel

„Ich war die Mutter, er das Kind.“

Wenn Kinder zu früh und zu lange Verantwortung tragen – bleibt der eigene Selbstwert auf der Strecke. 

„Es änderte nichts. Im Gegenteil, unsere Rollen waren völlig vertauscht: Ich war die Mutter, er das Kind. Selbst als ich von zu Hause auszog, verlangte er ständig nach Aufmerksamkeit. Er sprach nur über sich selbst, seine Gefühle, seine Probleme und stellte nie Fragen.“ (siehe 1.)

Diese Worte eines Betroffenen bringen auf den Punkt, was viele Kriegsenkel:innen erlebt haben – und lange nicht benennen konnten: eine Kindheit ohne echten Schutzraum. Statt gehalten zu werden, mussten sie selbst tragen. Statt gesehen zu werden, waren sie emotional zuständig für die Eltern.

Was nach außen wie eine enge Beziehung wirkte, war in Wahrheit eine Überforderung: Ein Kind, das zuhört, tröstet, stärkt – während der Erwachsene eigene seelische Nöte und Bedürfnisse stillen will. Ein Kind spürt dann: Ich bin nur wichtig, wenn ich funktioniere. Wenn ich mich zurücknehme. Wenn ich stark bin. Eine eigene Existenzberechtigung habe ich nicht.

Die Grenze zwischen Ich und Du verschwimmt.

Diese Form der Rollenumkehr hat einen Namen: Parentifizierung oder wie einige belgische Psycholog:innen vorschlagen: emotionaler Inzest.
Ein Begriff, der erschreckt – aber genau das sichtbar macht, was oft über Jahrzehnte in diesen NS- und Kriegs-traumatisierten Familien im Verborgenen blieb: Ein Kind wird zum seelischen Partnerersatz. Die folgenreichen Auswirkungen bestehen u.a. darin, dass die Grenze zwischen Ich und Du verschwimmt. Tatsächlich fragen sich viele Kriegsenkel:innen bis heute: 

Wer bin ich eigentlich? 

„Fast alle meine Lebensentscheidungen wurden von seinem Verhalten bestimmt. Ich habe einen pflegenden Beruf, habe mich zu jung an meinen Partner geklammert und überkompensiere für mein Kind. Freunde zu finden war immer schwierig, weil ich der kleine Erwachsene war, während sie noch unbeschwert spielten. Ich habe nicht gelernt, was es heißt, einen eigenen Kokon zu haben. Ich bin immer noch so auf die Gefühlswelt anderer fokussiert, dass ich mich selbst oft vergesse.“ 

Viele von uns, die so aufgewachsen sind, kennen dieses Lebensgefühl: Ständig auf Empfang. Immer einen Schritt zu nah am Erleben anderer. Und innerlich leer, erschöpft, mit dem Gefühl: 

Ich komme nicht bei mir selbst an.

Doch das Erkennen dieser Dynamik sollte nicht zu einem Vorwurf an die (Kriegskinder-)Eltern führen. Denn sie haben Ähnliches oder gar Schlimmeres mit ihren Eltern erlebt, dazu in einer Zeit, die einfach menschenfeindlich war.

In den Gesprächen in meiner Praxis rege ich immer wieder dazu an, das zu würdigen, was du als Kind damals leisten musstest. Darin besteht ein erster Schritt, um dich selbst zurückzuholen und um zu lernen, wo deine eigenen Grenzen verlaufen. Und was es heißt, bei sich zu sein.

Vielleicht beginnt es mit einer einfachen Frage:
Was brauche ich – jetzt, in diesem Moment – unabhängig davon, wie es anderen geht?

Darum geht es in dem kommenden, kostenfreien Kriegsenkel:innen LiveCall, am 18.6.25, in der Zeit von 19.30 bis 20.30 Uhr.

Bist du dabei? Dann melde dich hier an: mailto@meyer-legrand.eu. Ich schicke dir den Link.

Herzliche Grüße
Ingrid

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